Friedrich Wolf


Friedrich Wolf in Kopenhagen

„Ich will mein Gesicht zeigen!“

Friedrich Wolf war Arzt und Schriftsteller und Kommunist. Mit seiner Dramatik gehörte er während der Weimarer Republik zu den erfolgreichen und viel gespielten Autoren. Nach Anfängen als Expressionist wandelte sich seine Kunst zu einer die Gesellschaft nicht nur kommentierenden, sondern kritisierenden Literatur. Unter der Maxime „Kunst ist Waffe!“ nimmt Wolf Stellung zu den brennenden Problemen seiner Zeit. Ob in der Debatte um den Abtreibungsparagrafen oder bei der Diskussion um die gescheiterte Revolution von 1918. „Cyankali“ und „Die Matrosen von Cattaro“ gelten zu Recht als Klassiker des politisch engagierten Theaters.

Als Arzt ist Friedrich Wolf einer der ersten, der die Heilkräfte der Natur für eine ganzheitliche Medizin zu nutzen wusste. Da er aus seiner politischen Überzeugung keinen Hehl macht, versucht man, ihn wegen des Vorwurfs illegaler Abtreibungen bloßzustellen. Vielseitiger Zuspruch und öffentliche Unterstützung lassen derartige Kampagnen ins Leere laufen. Wolfs Ansehen steigt auch im Ausland, besonders in der Sowjetunion.

Friedrich Wolf steht als Dramatiker in der Tradition der aristotelischen Poetik (Katharsis-Theorie). Im Mitleiden des Publikums mit dem Helden auf der Bühne sieht er weiterhin die besten Chancen für sein ästhetisches Erziehungsprogramm: „Das wahre Drama entlässt die Menge nicht, ehe es sie nicht von Grund auf durchgerüttelt, durchknetet und ‚gereinigt’ hat.“

Mit dem Machtantritt Hitlers muss Wolf Deutschland verlassen. Nicht nur weil er ein revolutionäres Theater fordert und praktiziert: Er ist auch noch Jude. Auf der ersten Station seines Exils, der Ile de Bréhat in der Bretagne, schreibt er das Stück „Professor Mamlock“, das zu einem der wichtigsten antifaschistischen Dramen aufsteigt. Das Schicksal des jüdischen Arztes Mamlock, der aus seiner Klinik vertrieben wird und trotzdem noch an Gerechtigkeit und Ehre glaubt, bis er die schlimme Realität des deutschen Faschismus im Tod erkennt, wird mit großer Eindringlichkeit vorgeführt und damit der Nationalsozialismus schon in der Anfangsphase in seinem barbarischen, menschenverachtenden Charakter bloßgestellt. Betroffenheit angesichts des einsetzenden faschistischen Terrors und Mut zum Widerstand will Wolf damit wecken. Das aufklärerische Zeittheater besteht gerade in Zeiten der nationalsozialistischen Diktatur seine größte Bewährungsprobe. Während des Exils in der Sowjetunion erfährt die Wolfsche Dramatik zahlreiche Aufführungen, so dass man durchaus von einem außergewöhnlichen Erfolg sprechen kann.

Wolfs Programm, durch Literatur und Theater einzuwirken auf die gesellschaftlichen Verhältnisse, um an deren Veränderung teilzuhaben, führt den Dramatiker auch dazu, dem ästhetischen das politische Engagement an die Seite zu stellen. Der Versuch, sich den Internationalen Brigaden im Spanischen Bürgerkrieg anzuschließen, scheitert. In Frankreich wird Wolf verhaftet und in Le Vernet interniert. Auf Intervention der Sowjetunion kann er nach Moskau zurückkehren. Vortragsreisen, u. a. zum Ersten Schriftstellerkongress in die USA, geben ihm die Möglichkeit, für seine Vorstellung einer progressiven Kunst zu werben.

Mit dem Überfall der faschistischen Truppen auf die Sowjetunion verschärft sich die Lage der deutschen Exilanten im sozialistischen Vaterland. Schon mit Beginn der stalinistischen Prozesse hatte sich das Klima bedrohlich verändert: Denunziationen, unhaltbare Anschuldigungen, Verhaftungen, Verbannung und Todesurteile waren an der Tagesordnung. Interne und öffentliche Tribunale führen auch in den Exilkreisen zu schlimmen Exzessen. Wolf reagiert darauf mit fast naiver Offenheit: „Ich will mein Gesicht zeigen!"
 
Als Mitglied des Nationalkomitees Freies Deutschland geht Friedrich Wolf hinter die Front, um deutsche Soldaten zur Aufgabe bzw. zum Überlaufen aufzufordern. Auch diese Form der Agitation verdankt sich seinem Einsatz für politische Aufklärung.

Mit der Rückkehr nach Berlin setzt Wolf die künstlerische Arbeit fort, sogleich engagiert er sich bei dem Versuch, ein sozialistisches Deutschland aufzubauen. „Professor Mamlock“ wird zum exemplarischen Drama der Vergangenheitsbewältigung im Osten, während Zuckmayers „Des Teufels General“ diese Funktion nicht zufällig für den Westen übernimmt. Auch als Politiker stellt er sich zur Verfügung: Er geht als erster Botschafter der DDR nach Polen.

Mit Wolfs Tod gerät sein literarisches Schaffen allmählich ins Hintertreffen. Es scheint, als habe sich seine politisch-revolutionäre Dramatik überlebt. Inzwischen aber zeigt sich, dass Wolfs Werk nicht nur historisch bedeutsam ist, sondern dass angesichts zunehmender neofaschistischer und antisemitischer Tendenzen eine Rückbesinnung auf den Schriftsteller und Dramatiker Friedrich Wolf dringend notwendig ist.

Der Wiederbegegnung mit dem Literaten und Menschen Friedrich Wolf hat sich die Friedrich-Wolf-Gesellschaft verschrieben.

Prof. Dr. Hermann Haarmann ist Professor der Freien Universität Berlin, Arbeitsbereich Historische Publizistik, Direktor des Instituts für Kommunikationsgeschichte und angewandte Kulturwissenschaften der FU Berlin und war viele Jahre Vorstandsmitglied und Vorsitzender der Friedrich-Wolf-Gesellschaft.

Hermann Haarmann

*1946, Kommunikationshistoriker und Kulturtheoretiker

Professor am Institut für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft und Direktor des Instituts für Kommunikationsgeschichte und angewandte Kulturwissenschaft an der Freien Universität Berlin

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